Das Gesetzgebungsverfahren zur Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft lief Ende November 2011 an. Am 22. November fand im Wissenschaftsministerium ein erstes Gespräch mit Studierenden und Hochschulen über die Grundzüge eines Gesetzesentwurfs statt. Anfang Februar 2012 wurde dann vom Wissenschaftsministerium der Anhörungsentwurf veröffentlicht. Dieser enthielt bereits die wesentlichen Forderungen der Studierendenschaft (Satzungs- und Finanzhoheit, umfassendes Mandat zur Interessenvertretung). Im Zuge des Gesetzgeungsverfahrens wurden dann noch einige Kleinigkeiten geändert, die Grundzüge blieben aber die gleichen. Am 27. Juni 2012 wurde das Gesetz schließlich im Landtag verabschiedet.
Doch was steht drin im Verfasste-Studierendenschafts-Gesetz1)?
Die Verfasste Studierendenschaft (Studierendenschaft) ist eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts und als solche eine Gliedkörperschaft der Hochschule.
Hierbei bedeutet die „rechtsfähige Körperschaft“, dass die Studierendenschaft selbstständig privatrechtliche Verträge abschließen kann, also z. B. direkt mit den Verkehrsbetrieben über das Semesterticket verhandeln oder Personal anstellen darf. Aus der Tatsache, dass die Studierendenschaft Gliedkörperschaft der Hochschule ist, folgt, dass die Hochschule für die Rechtsaufsicht über die Studierendenschaft und damit z. B. für eine rechtliche Prüfung des Haushalts zuständig ist.
Die immatrikulierten Studierenden (Studierende) einer Hochschule bilden die Verfasste Studierendenschaft (Studierendenschaft).
Alle Studierenden sind Mitglied der Studierendenschaft. Eine Austrittsmöglichkeit ist nicht vorgesehen.
Die Studierendenschaft gibt sich eine Organisationssatzung;
In der Organisationssatzung werden die Organe der Studierendenschaft und deren Zusammenspiel festgelegt. Dabei gibt es zwar verschiedene Vorgaben (z. B. muss es ein „legislatives“ und ein „exekutives“ Organ geben), ansonsten ist es der Studierendenschaft aber freigestellt, wie sie sich organisieren möchte. Parlament, Rätemodell oder komplett basisdemokratisch – jede Studierendenschaft kann selbst entscheiden, welches Modell für sie am besten passt.
Für die Erfüllung ihrer Aufgaben erhebt die Studierendenschaft nach Maßgabe einer Beitragsordnung angemessene Beiträge von den Studierenden.
Die Finanzierung der Studierendenschaft erfolgt hauptsächlich durch Beiträge der Studierenden. Die Höhe der Beiträge wird dabei von der Studierendenschaft selbst festgelegt.
Das Gesetz gibt klar die Aufgaben der Studierendenschaft vor. Diese sind:
1. die Wahrnehmung der hochschulpolitischen, fachlichen und fachübergreifenden sowie der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Belange der Studierenden,
2. die Mitwirkung an den Aufgaben der Hochschulen nach den §§ 2 bis 7 [Landeshochschulgesetz],
3. die Förderung der politischen Bildung und des staatsbürgerlichen Verantwortungsbewusstseins der Studierenden,
4. die Förderung der Gleichstellung und den Abbau von Benachteiligungen innerhalb der Studierendenschaft,
5. die Förderung der sportlichen Aktivitäten der Studierenden,
6. die Pflege der überregionalen und internationalen Studierendenbeziehungen.
Die Aufgeben der Studierendenschaft geben vor, wozu sich die Studierendenschaft äußern und in welchen Bereichen sie tätig werden darf. Was nicht von den Aufgaben abgedeckt ist, ist nicht erlaubt.
Verglichen mit den Regelungen in den meisten anderen Bundesländern sind die Aufgaben relativ weit gefasst. Dadurch soll eine umfassende Vertretung der Interessen der Studierenden möglich sein, ohne an die Grenzen des Zulässigen zu stoßen.
Zur Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglicht die Studierendenschaft den Meinungsaustausch in der Gruppe der Studierenden und kann insbesondere auch zu solchen Fragen Stellung beziehen, die sich mit der gesellschaftlichen Aufgabenstellung der Hochschule, ihrem Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung sowie mit der Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Abschätzung ihrer Folgen für die Gesellschaft und die Natur beschäftigen.
Zusätzlich zu den Aufgaben an sich wird also genauer festgelegt, in welchem Rahmen sich die Studierendenschaft äußern darf.
Im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben nimmt die Studierendenschaft ein politisches Mandat wahr. Sie wahrt nach den verfassungsrechtlichen Grundsätzen die weltanschauliche, religiöse und parteipolitische Neutralität.
Das politische Mandat der Studierendenschaft ist klar an die Aufgaben gebunden. Es handelt sich nicht (wie teilweise behauptet) um ein allgemeinpolitisches Mandat. Als öffentlich-rechtliche Körperschaft muss sich die Studierendenschaft neutral gegenüber Weltanschauungen, Religionen und Parteien verhalten. Die Studierendenschaft darf also nicht für eine bestimmte Partei Werbung machen oder eine bestimmte Religion bevorzugt behandeln.
Für die Studierendenschaft gelten (wie für alle anderen öffentlich-rechtlichen Institutionen des Landes) die Regelungen der Landeshaushaltsordnung. Zusätzlich gibt es jedoch verschiedene darüber hinausgehende Vorgaben.
Das exekutive Kollegialorgan […] bestellt einen Beauftragten für den Haushalt […], der die Befähigung für den gehobenen Verwaltungsdienst hat oder in vergleichbarer Weise über nachgewiesene Fachkenntnisse im Haushaltsrecht verfügt. […] Die Kosten des Beauftragten für den Haushalt trägt die Studierendenschaft.
Dabei soll der Beauftragte für den Haushalt dafür sorgen, dass die Vorschriften der Landeshaushaltsordnung eingehalten und die Mittel der Studierendenschaft nur zur Erfüllung ihrer Aufgaben ausgegeben werden.
Die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Studierendenschaft unterliegt der Prüfung durch den Rechnungshof. Die Studierendenschaft beauftragt zur Rechnungsprüfung darüber hinaus eine fachkundige Person […] oder die Verwaltung der Hochschule […].
Zusätzlich zur Prüfung durch den Landesrechnungshof muss die Studierendenschaft eine eigene Prüfung der getätigten Ausgaben durchführen lassen. Die „fachkundige Person“ bzw. die Verwaltung der Hochschule muss von der Studierendenschaft dafür bezahlt werden. Die Rechnungsprüfung darf also nicht von der Studierendenschaft selbst übernommen werden.
Darlehen darf die Studierendenschaft nicht aufnehmen oder vergeben;
Die Studierendenschaft darf also weder Kredite aufnehmen noch vergeben (z. B. Studienabschlusskredite).
Durch die Verabschiedung des Verfasste-Studierendenschafts-Gesetzes wurde lediglich die gesetzliche Grundlage geschaffen aber noch nicht die Verfasste Studierendenschaft an den Hochschulen wiedereingeführt. Hierzu muss zunächst die Organisationssatzung in Kraft treten und die in ihr definierten Organe gewählt werden. Das Gesetz sieht hierfür folgende Regelungen vor:
Die Organisationssatzung […] ist in einer Abstimmung der immatrikulierten Studierenden (Studierende) zu beschließen. Die Abstimmung wird vom Vorstand der Hochschule durchgeführt. Studierende der Hochschule können ausgearbeitete […] Satzungsvorschläge beim Vorstand der Hochschule bis zu einem […] festgelegten […] Termin einreichen.
Ein Satzungsvorschlag ist dabei beschlossen, wenn mindestens die Hälfte der an der Abstimmung teilnehmenden Studierenden für ihn gestimmt haben. Falls mehrere Satzungsvorschläge zur Abstimmung stehen, kann es zu einer Stichwahl kommen.
Unverzüglich nach Veröffentlichung der Organisationssatzung setzt der Vorstand die für die Besetzung der Organe erforderlichen Wahlen an, führt sie durch und stellt das Ergebnis der Wahl fest. Nach der Feststellung der Wahlergebnisse beruft das lebensälteste Mitglied des jeweiligen Organs dieses zur konstituierenden Sitzung ein. Die Gliedkörperschaft ist konstituiert, wenn sich das letzte Organ auf zentraler Ebene der Studierendenschaft konstituiert hat.
Falls sich die Studierendenschaft nicht bis zum 31. Dezember 2013 konstituiert hat, sind Regelungen zur „Konstituierung im besonderen Fall“ vorgesehen. Darin sind ein Studierendenparlament als legislatives Organ und ein AStA als exekutives Organ fest vorgegeben. Die Vorgaben zur „Konstituierung im besonderen Fall“ gelten so lange, bis eine eigene Organisationssatzung durch die Urabstimmung angenommen wurde.